Der Wichtel und das Drachenei

Es war einmal ’ne Zauberfee,
die liebte Gebäck und dazu Tee.
Dies’ nahm sie gern am Bahnhof ein
– ob Regen oder Sonnenschein –
im Sitzen auf der Bahnhofsbank,
fror sie einst wie im Tiefkühlschrank;
die Nase blau, die Hände klamm,
so wartet sie am S-Bahn-Damm
ganz ungeduldig auf den Zug,
während sie den Sturm ertrug.

Und plötzlich, horch, ein Pfeifen dort,
von Fernem naht, direkt vor Ort
die S-Bahn, diese heißersehnte,
als sich die Zeit schon endlos dehnte.

Sie schnellte hoch, lief ihr entgegen,
doch konnt’ sie sich nicht fortbewegen,
da, als sie wollt’ die Beine strecken,
diese noch taten im Rucksack stecken.
Vornüber fiel sie grausamerweis’
direkt aufs blitzende S-Bahn-Gleis.
Aber mit übermenschlicher Reaktion
zückte sie ihren Zauberstab schon.
In großer Angst, mit Müh’ und Not,
schwingt sie den Stab, obwohl schon droht
die näherkommende, schwere Bahn,
bis sie erst spricht den Zauberbann:
„Äh … Alluga-saga-juppi-zachen,
verwandle dich in einen Drachen!“

Da, plötzlich, jäh und ungestüm,
stand vor ihr dieses Ungetüm
mit roten Augen, heißem Atem
wollt’ er sie gleich als Vorspeis’ braten.
Jetzt war ihr alles einerlei
und verzaubert ihn zum Ei.

Nun, die Moral von der Geschicht’:
Ein Ei bringt dich zum Ziele nicht.
Und wenn sie nicht gestorben,
so hext sie auch noch morgen.

Halt ein, so soll sie enden nicht,
die wunderbare Feengeschicht’.
Na gut, so dichten wir halt weiter,
wie wär’s mit einem Wichtelreiter?
Gebongt, doch vorerst eine Frag’:
Ob es ein Wichtel wohl vermag,
die Fee nach Herrenberg zu tragen
mit diesem schweren Ei im Magen?
Natürlich, denn der Wichtel, heiter,
ist ja nur der Schneckenreiter
und seine Schnecke, diese alte,
überwindet jede Art von Spalte
zu tragen die Zauberfee mit dem Ei
nach Herrenberg, in Stunden derer zwei.

Auf der Schneck’ gebettet
ist die Fee gerettet.

© 1993, Andreas Bauer & Anja Bangemann